Protokoll der ersten Arbeitstagung „West-Östlicher Fachaustausch” am 28.11.1997 in der Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg

Nach der Begrüßung und Einführung durch die Tagungsleiterin Dr. Gabriele Kötschau referierte Verwaltungsdirektor Kurt Berlinger, Leiter des für die Zusammenarbeit mit ausländischen Arbeitsverwaltungen zuständigen Referats, über die Tätigkeit der Bundesanstalt für Arbeit in Osteuropa und in den GUS-Ländern.

Zunächst stellte Herr Berlinger fest, daß in den letzten Jahren die Vorschriften für eine Arbeitserlaubnis in Deutschland in der Tat immer restriktiver geworden seien. Der Kurs der Bundesregierung werde begründet mit der hohen Arbeitslosigkeit hierzulande und der hohen illegalen Zuwanderung aus den Staaten Osteuropas.

Sodann ging er auf die Tätigkeit der Arbeitsverwaltungen in den östlichen Ländern ein:

  1. Auftrag der Bundesregierung sei die Förderung der Transformationsprozesse. Dieser Aufgabe widmeten sich auch eine Reihe anderer Institutionen (u. a. Weltbank, EU) mit eigenen Programmen.
  2. Partnerländer seien (neben Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und der Slowakei) die Russische Föderation, die Ukraine, die Republik Belarus (Weißrußland) und die drei baltischen Staaten. Die Partnerschaften mit Kasachstan, Albanien und der tschechischen Republik seien aus unterschiedlichen Gründen ausgelaufen. Die Weltbank fördere das Projekt Türkei.
  3. Am Beginn der Arbeit stehe jeweils eine Informationsphase. Zahlreiche Gruppen aus verschiedenen Ländern seien nach Deutschland geholt worden. Das veranstaltete Seminarprogramm müsse teilweise auch als Seminar-Unwesen bezeichnet werden. Der Know-how-Transfer auf dieser Ebene versickere immer wieder wegen starken Wechsels des Teilnehmerkreises bzw. der zuständigen Personen.
    In der Vertiefungsphase würden Fachkollegen nach Deutschland geholt bzw. deutsche Fachleute in die betreffenden Länder geschickt. Hierbei sei Voraussetzung, daß es in den einzelnen Ländern bereits konkrete Partner gebe.
    In der Umsetzungsphase gehe es um die Empfehlung der Einrichtung von Modellarbeitsämtern in bestimmten Städten und Regionen mit deutscher Unterstützung.
  4. Eingerichtet worden seien bisher acht Modellarbeitsämter, drei davon in der Russischen Föderation (u. a. in Engels und Kaluga) und je eines in der Ukraine (Kiew), Estland (Tallin), Litauen (Vilnius) und in der Republik Belarus (Borisow) sowie im rumänischen Brasow. Die Weltbank habe 33 Modellarbeitsämter errichtet, und auch die EU beteilige sich an dem Programm
  5. Es gibt ein Handbuch mit der Aufgabenbeschreibung für die entsprechenden Multiplikatoren.
    Das Vorzeigeprojekt sei Kaluga, wo z. B. ein Stelleninformationsservice, eine Berufsberatung und eine Stellenvermittlung vor Ort eingeführt worden sei. Bei seiner Darstellung der Aufgaben dieser Arbeitsämter (eigentliche Arbeitsvermittlung, berufliche Weiterbildung, Arbeitslosenversicherung) ging Herr Berlinger besonders auf die Weiterbildung ein, die in Rußland „noch nicht so gut gelungen” sei. Auf eine Umschulung folge in der Regel sofort die Einweisung in den neuen Beruf. An „Bildung auf Vorrat” werde noch nicht gedacht. Die früheren Weiterbildungsinstitutionen, die oft an Großbetriebe und Kombinate gekoppelt waren, seien weggebrochen.
    Ein besonderes Problem stelle die Erstausbildung in der Russischen Föderation dar. Die deutschen Berater hätten sich in diesem Bereich auf Berufsberatung, psychologische Testverfahren und Betreuung bei der Berufswahl und -vermittlung beschränkt. In der Zwischenzeit seien durch das russische Erziehungsministerium außerschulische Berufsausbildungsmöglichkeiten errichtet worden.
  6. Was die Arbeitsvermittlung nach Deutschland angeht, so stellte Herr Berlinger fest, daß die deutschen Stellen kaum qualifiziertes Personal finden könnten. Es würden nur knapp 200 Leute im Jahr für eine Zeitdauer von 12 bis 18 Monaten vermittelt werden können. Voraussetzung sei eine abgeschlossene Berufsausbildung und ein Höchstalter von 35 Jahren (in Ausnahmefällen 40). Ernste Probleme ergäben sich durch die Sprachdefizite und die Tatsache, daß die beruflichen Kenntnisse oft nicht ausreichend oder doch andere seien als in Deutschland erwartet.
  7. Eine exakte Zusammenstellung vergleichbarer Berufe (und Berufsausbildungen) in Deutschland und Rußland gebe es noch nicht, aber es gebe gute Erkenntnisse, aufgrund derer bei Aussiedlern die Anerkennung von Berufen durch die Regierungspräsidenten vorgenommen werden könne. Die Bundesanstalt für Arbeit habe ein Glossar über vergleichbare Begriffe erarbeitet, das eine wesentliche Voraussetzung für die weitere Zusammenarbeit darstelle. Dieses Glossar hat das BDWO in der Zwischenzeit für die Geschäftsstelle in Berlin erworben. Darüber hinaus ist es für eine Schutzgebühr bei der Bundesanstalt zu erhalten.

Die Diskussion führte zu folgenden Klärungen:

  1. Eine einfache Übernahme deutscher Rahmenlehrpläne funktioniere aus den dargestellten Gründen nicht
  2. Die Quote für Werkvertragsarbeitnehmer sei in Deutschland von ca. 100.000 auf zur Zeit 58.0000 gesenkt worden
  3. Sogenannte Berufshospitationen (hauptsächlich von Studenten) seien in der Regel als Arbeitsverhältnisse zu werten und dementsprechend zu behandeln. Das hänge von der Gestaltung der Verträge ab. Praktikanten würden allein durch die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV, Frankfurt/Berlin) vermittelt. Da die Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis bereits in Rußland durch die Deutsche Botschaft geprüft werde, tauchten die Schwierigkeiten bei der Gestaltung der Arbeitsverträge schon im Vorfeld auf.
  4. Erörtert wurde auch die Frage, ob und unter welchen Bedingungen der BDWO als Bundesverband eine Vereinbarung mit der Bundesarbeitsverwaltung schließen könnte, um die Prozeduren für Praktikanten der Mitglieder des BDWO zu erleichtern.

Dieter Galinski, Körber-Stiftung, stellte die Tätigkeit seiner Stiftung vor. Bei etwa 650 Mio DM Kapital seien jährliche Ausgaben in Höhe von rund 22 Mio möglich. Das Körber-Kolleg engagiere sich seit 1989 in der Ausbildungsförderung von Ingenieuren aus der ehemaligen Sowjetunion. Die Stiftung habe sich jedoch von Anfang an die Leute selbst ausgesucht. Sie kläre die Aufenthaltsbewilligungen und die Arbeitserlaubnis direkt mit der Deutschen Botschaft in Moskau und mit der ZAV.

Schüler und Studenten könnten bis zu drei Monaten im Rahmen eines internationalen Austauschs in Deutschland praktische Erfahrungen sammeln.

Im Zusammenhang mit dem Studium sei dies bis zu 6 Monaten möglich, und zwar arbeitserlaubnisfrei. Diese Aufenthalte würden von den studentischen Organisationen organisiert , z. B. vom Deutschen Akademischer Austauschdienst:
Ansprechpartner: Wolfgang Trenn, Referatsleiter
DAAD, Kennedyallee 50, 53175 Bonn, Tel.: 0228/882-0; Fax: 0228/882-444
e-mail: Trenn@daad.de

Was die sogenannten „Gastarbeitnehmerabkommen” angeht, so gebe es konkrete Ansprechpartner in den einzelnen Partnerstaaten, die diese vermitteln. Insgesamt bestehe ein Kontingent von 10.250, von denen

  •  aus der russischen Föderation  2.000
  •  aus Estland und Lettland         jeweils 100
  •  aus Litauen                          200
zugelassen seien.

Dieses Abkommen werde jedoch nur zu einem Drittel ausgeschöpft. Dies liege unter anderen in der begrenzten Einstellungsmöglichkeit auf deutscher Seite.

Die Einstellung von Gastarbeitnehmern

  •  ist arbeitsmarktunabhängig
  •  setzt qualifizierte Arbeitnehmer voraus sowie
  •  eine abgeschlossene Berufsausbildung oder
  •  eine vergleichbare Qualifikation
  •  sprachliche Kommunikationsmöglichkeit
  •  die Aufenthaltsdauer für Gastarbeitnehmer beträgt 12 Monate und kann bis zu 18  Monaten ausgedehnt werden
  •  tarifliche Entlohnung

Die Vermittlung von Gastarbeitnehmern erfolgt über die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) in Frankfurt.

Daneben gebe es sogenannte „Werkvertragsarbeitnehmer”. Mit insgesamt 12 Staaten habe Deutschland ein entsprechendes Abkommen geschlossen. Zur Zeit seien in Deutschland 32.000 Werkarbeitnehmer beschäftigt, davon 12.700 auf dem Bausektor.

Frau Kornelia Popp vom Verein „Handwerkerinnen und Handwerker am Europäischen Haus e. V.” aus Jena berichtete über die Erfahrungen ihres Vereins, dessen Arbeit über das Transformprogramm der Bundesregierung gefördert wird. Die Gastarbeitnehmerinnen und -Arbeitnehmer kämen als sogenannte „Regierungspraktikanten” nach Deutschland. Die Vermittlung erfolge über die ZAV, in Zusammenarbeit mit der entsprechenden Behörde im Herkunftsland. Die Arbeitsdauer betrage 3 bis 18 Monate; seit dem 01.01.1997 üblicherweise 3 bis 6 Monate zuzüglich eines vorgeschalteten einmonatigen Sprachkurses in Jena.