Protokoll der 10. Arbeitstagung „West-Östlicher Fachaustausch“ am 23.04.2004 in den Räumen der Botschaft der Republik Usbekistan in Berlin |
Im Mittelpunkt der 10. Arbeitstagung standen die zentralasiatischen Staaten, thematisch insbesondere Fragen der Bildung, Ausbildung und Fortbildung sowie die Perspektiven einer Zusammenarbeit auf diesem Gebiet. Zentralasien hat eine junge Bevölkerung; so verfügt der größte der zentralasiatischen Staaten, die Republik Usbekistan, über einen Bevölkerungsanteil von etwa 60 % unter 25 Jahren. Es ist eine große Chance, doch auch eine große Herausforderung für den Staat. Kontinuierlich steigt der Bedarf an Ausbildungs- und Arbeitsplätzen, und die Betriebe sind auf gut ausgebildete junge Leute angewiesen. Die berufliche Bildung stand daher im Mittelpunkt der Veranstaltung. Ein großer Dank galt Herrn Botschafter Isan Mustafoev, der uns ermöglicht hat, in den Räumen der Usbekischen Botschaft unsere Tagung durchzuführen.
Mit dem heutigen Usbekistan verbinde sich nicht nur das große kulturelle Erbe und die Denkmäler der Städte Samarkand, Buchara und Chiwa, sondern ebenfalls das einzige Automobilwerk Zentralasiens, die modern ausgestatteten Unternehmen des Erdöl- und Erdgaskomplexes und verschiedene Industreibereiche. Darüber hinaus berichtete er über die aktuelle Geschichte seines Landes sowie den schweren Weg der Reformen zur Errichtung eines Rechtsstaats und einer sozialorientierten Marktwirtschaft. Er betonte die Bereitschaft seines Landes zur Zusammenarbeit und vor allem zur Kooperation im Bereich des Bildungswesens. In ihrer Eröffnung wies Gabriele Kötschau, MdL (koetschau@t-online.de), stellvertretende Vorsitzende des BDWO (darauf hin, daß diese Arbeitstagung zum Thema Bildung gerade in der Woche stattfinde, in der in über 100 Ländern Schulkinder auf Politiker treffen, um sie an ihr Versprechen zu erinnern, allen Menschen bis zum Jahr 2015 eine Grundbildung zu garantieren. Bildung ebne nicht nur den Zugang zum Arbeitsmarkt, sondern habe auch viel mit Bewusstsein zu tun. Gerade die zentralasiatischen Staaten, die an Staaten angrenzen, in denen Drogenanbau und -handel betrieben werden und die eine gefährliche Nähe zum Terrorismus hätten, seien besonders darauf angewiesen, daß die Menschen informiert sind, daß junge Leute eine gute Grundbildung erhielten und für sich und ihre Familie eine Perspektive sehen. Was die jüngsten Terroranschläge in Usbekistan angeht, so machte sie deutlich, dass „wir fest an der Seite Usbekistans und seines Kampfes gegen den Terrorismus” stünden. Dies seien zusätzliche Gründe, die zentralasiatischen Staaten auf ihrem Weg zu einer stabilen und rechtsstaatlichen Demokratie zu unterstützen, für die Bildung unerlässlich sei, auch zur Steigerung der Wirtschaftskraft und des Wohlstands. Vor dem Hintergrund der jüngsten Terroranschläge machte sie deutlich, daß unser Zusammenleben nur dann ein friedliches und partnerschaftliches sein könne, wenn alle Seiten Toleranz übten und Respekt vor anderen Kulturen hätten. Abschließend dankte die Vorsitzende dem Botschafter für seine
Bereitschaft, seine schöne Botschaft für die Tagung zur Verfügung
zu stellen und dankte ferner Herr Khabibullaev für seine große
Unterstützung bei der Organisation der Veranstaltung. SE Herr Botschafter Isan Mustafoev führte in das Bildungssystem seines
Landes ein: Das nationale Programm für die Ausbildung von Fachkräften werde in Etappen umgesetzt. Die erste Etappe (1997 bis 2001) sollte zunächst die Voraussetzungen für die Reformierung und die Entwicklung des Systems der durchgängigen Bildung schaffen. In dieser Etappe seien 47 akademische Lyzeen und 303 Berufscolleges gegründet worden. In der weiteren Perspektive sollen nun bis zum Jahr 2010 weitere 178 akademische Lyzeen und 1.689 Berufscolleges für circa 1,5 Millionen Fachschüler errichtet werden. Der Botschafter wies abschließend auf die Möglichkeiten der Weiterentwicklung von Partnerschaftsbeziehungen mit vielen Ländern der Erde hin und betonte, daß die Entwicklung der Zusammenarbeit mit Deutschland für die Republik Usbekistan höchsten Stellenwert habe. Dies betreffe nicht nur den Bereich Politik und Wirtschaft, sondern auch Wissenschaft und Bildung. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, daß alle Fachbereiche, von der Landwirtschaft bis zur Metallverarbeitung (Autoherstellung), in Usbekistan benötigt würden. 85 % der Usbeken seien Moslems, doch finde man auch Orthodoxe und Juden in Usbekistan, die friedlich miteinander lebten. Usbekistan sei ein laizistischer Staat. Es gebe 120 ethnische Gruppen in Usbekistan, darunter zum Beispiel 200.000 Koreaner! Was die Sprachenausbildung angehe, so sei russisch traditionell keine Fremd-, sondern eine Umgangssprache (Lingua Franca). Als Fremdsprachen würde vor allem englisch, französisch und deutsch unterrichtet; etwa 800.000 Menschen würden jährlich die deutsche Sprache erlernen. Doch auch andere Sprachen würden in Usbekistan unterrichtet, zum Beispiel chinesisch, farsi, urdu und türkisch; es gebe auch entsprechend spezialisierte Schulen. Es gebe Kontakte deutscher Universitäten zu 22 Universitäten in Usbekistan. Thematisiert wurde der Plan Usbekistans, bis zum Jahr 2005 die lateinische Schrift einzuführen. Ein Vorteil wurde darin gesehen „näher an Europa“ zu sein, die 10. Klasse lerne schon die lateinische Schrift. Nachteil jedoch sei der Verlust des Kyrillischen, so wie man auch die arabische Schrift verloren habe. Im kulturellen Bereich gebe es seit 1993 ein Abkommen zwischen Deutschland und Usbekistan. Jährlich träfen sich gemischte Gruppen zu kulturellen Begegnungen. Man wolle die kulturelle Zusammenarbeit vertiefen. Es wurde festgestellt, daß es fast keine regionale Zusammenarbeit im Bildungsbereich zwischen den einzelnen zentralasiatischen Staaten gebe. Nach ihrer Unabhängigkeit hätten nun alle Staaten ihre eigenen Gesetze. Viele Gesetze würden sich an die europäischen Gesetze anlehnen. Der Präsident strebe die Errichtung eines modernen Landes an, in dem die jungen Leute die Möglichkeit hätten, Geld zu verdienen. Junge Leute müssten härter arbeiten, um etwas zu erreichen. Man brauche gelehrte Leute, um eine Zukunft mit Perspektive aufzubauen. Navruz Rakhimov, Botschaft der Republik Tadschikistan 60 % der Tadschiken lebten auf dem Land (Agrarrepublik). Besser sei die Situation im Hochschulbereich. Tadschikistan strebe das europäische Vorbild der BA- und MA-Abschlüsse an und wünsche einen stärkeren Austausch mit Hochschulen in anderen Ländern. Wolfgang Trenn, Leiter des Verbindungsbüros des DAAD in Berlin (trenn.berlin@daad.de) ist zuständig für die Zusammenarbeit mit den hier ansässigen Bundesministerien und für die Kontakte zum Parlament und zu den ausländischen Botschaften. Für die Kooperation mit den zentralasiatischen Ländern stehen ca. 25 DAAD-Programme zur Verfügung, die den Austausch in beide Richtungen unterstützen, von Sommerkursen über einsemestrige Studien im Ausland bis hin zu längeren Auslandsaufenthalten. Der DAAD fördere ebenso die Internationalisierung der deutschen Hochschulen, z. B. im Rahmen des “Bologna-Prozesses” (u. a. BA-, MA-Abschlüsse, etc.), an dem die Partnerländer in Zentralasien ebenfalls interessiert sind und z. T. bereits als Beobachter teilnehmen. Auf ein DAAD-Stipendium in Deutschland kämen ca. 10 bis 12 ausländische Bewerber. Größere Bewilligungschancen hingegen gebe es für ehemalige DAAD-Stipendiaten im Rahmen der Nachkontaktarbeit. Hierzu könnten sogar noch mehr Bewerber ermutigt werden. In Zentralasien gebe es deutsche Studiengänge, und geplant seien sogar deutsche Fakultäten. Lektorate gebe es darüber hinaus – neben dem Goethe-Institut
– an mehreren Universitäten; Weitere Förderungsmöglichkeiten:
Auswärtiges Amt: Zentralasien-Konferenz in Taschkent Wichtig sei die Bereitschaft deutscher Professoren zu mehr Gastlehraufenthalten. Botschafter Isan Mustafoev meldete das Interesse seines Landes an einem solchen Austausch an und bot an, sein Land werde den Monatslohn in Höhe des Gehalts für usbekische Professoren zahlen. Bakhitjan Khabibullaev, 3. Sekretär der Botschaft Usbekistans (botschaft@uzbekistan.de) drückte den verstärkten Wunsch nach Partnerschaften zwischen usbekischen und deutschen Universitäten aus und verwies auf Sprachkurse in Samarkand. Was die Auswahlkriterien für DAAD-Stipendien angeht, so erläuterte
Prof. Alexander Trunk, Leiter des Instituts für Osteuropäisches
Recht der CAU Kiel (office-eastlaw@law.uni-kiel.de)
die Auswahlkriterien:
Es komme darauf an, wer engagiert und ggf. auch sprachlich versiert sei.
Auch im Bereich der Postgraduierten sei es schwierig, entsprechende Bewerbungen
zu finden. Bewerber müssten langfristig auf der Grundlage von Kontakten
zwischen Hochschullehrern aufgebaut werden. Botschafter Mustafoev schlug eine Leistungsschau usbekischer Hochschulen (und Forschungsinstituten) vor. Dies könne auch das Interesse der Industrie wecken. So sei die Chemie sehr entwickelt (Fachinstitut für chemische Technologien). Usbekistan verfüge darüber hinaus über biologische Methoden sowohl des Pflanzenschutzes als auch zur Vernichtung von Drogenpflanzen. Helene Luig-Arlt, Diplom-Pädagogin
(luig-arlt@foni.net):
Die Wirtschaft erwarte von den Schulabgängern folgende Schlüsselqualifikationen:
Um die Vernetzung Wirtschaft – Schule möglichst früh zu intensivieren, würden z.B. in Hamburg Wirtschaftspraktika über eine ‚azubi-Börse’ vermittelt sowie Betriebsbesichtigungen, Assessment-Center u.a. bis hin zum ‚Töchtertag’ durchgeführt. Auf Bundesebene würden Modelle erprobt, das Berufbildungssystem zu reformieren. Zum Beispiel würden in Schleswig-Holstein an fünf Standorten Berufsschulen in regionale Bildungszentren umstrukturiert. Für eingeschränkt ausbildungsfähige Jugendliche würden neue Wege beschritten. Die IHK biete Ausbildungsmodule für eine Einstiegsqualifikationen mit IHK-Zertifikat an. Um die Ausbildungschancen für Jugendliche mit Migrationshintergrund zu erhöhen, werde in Flensburg, Neumünster und Hamburg ein Bundesmodellprojekt durchgeführt. Dieses Projekt umfasse Zweisprachigkeit, Verhaltenstraining, die Berücksichtigung der kulturellen Herkunft und spreche die Zielgruppe über aktive Gehstrukturen (z.B. Moscheen) an. Die Ausbildungsbetriebe würden ebenfalls bei einer Ausweitung von Ausbildungsplätzen – gerade für ‚ausländische’ Jugendliche - unterstützt. Abschließend stellte Frau Luig-Arlt das bundesweit an achtzig Standorten durchgeführte ‚Freiwillige Soziale Trainingsjahr’ vor, das die Ausbildung oder Teilqualifizierung einer extrem schwierigen Klientel zum Ziel habe. In Kooperation mit berufsbildenden Schulen und Unternehmen würden Praktika ermöglicht und einfache Ausbildungsplätze - unter sozialpädagogischer Anleitung - zur Verfügung gestellt, um auch diesen Jugendlichen eine Integration in die Arbeitswelt zu ermöglichen. Dr. Irene Fellmann, Kultusministerkonferenz (KMK)
(fellmann@berlin.kmk.org):
Die deutsche Sprache gehe überall zurück (!). Der Pädagogische Austauschdienst der KMK (PAD) arbeite mit allen fünf Staaten zusammen. Informationen über die Programme und Merkblätter des PAD befinden sich auf der Homepage der KMK www.kmk.org/pad/home.htm oder können angefordert werden.
Dr. Manuela Heinze, Planet 2000, stellte das Schulpartnerschaftsprojekt vor, das sowohl persönliche Begegnungen als auch Fortsetzung und Vertiefung der Partnerschaft über das Internet beinhalte. So hätten sie Kontakt zu einer Schule in Almaty aufgenommen, die durch beiderseitigen Austausch und durch Fortführung über das Internet aktiv betrieben werde. Gerade die Einbeziehung des Internets als Plattform für Kooperationen sei eine gute Anregung für weitere Kooperationen. Peter Rummel, Otto-Benecke-Stiftung
(peter-rummel@obs-ev.de):
Bisher sei die OBS in Zentralasien in Kasachstan tätig; ferner in der Mongolei, darüber hinaus in sieben anderen GUS-und Nachfolgestaaten der Sowjetunion sowie in Polen, Rumänien, Slowakei, Tschechei, Rumänien, Bulgarien und Palästina. Eine weitere Zielgruppe bzw. Aufgabenstellung ist die Unterstützung
der Weiterentwicklung der Jugendarbeit der deutschen Minderheit in den Ländern Zur weiteren Information: Internet: www.obs-ev.de Jens Forkel, Central Asia on Screen & Stage e.V.
(forkel@caoss.net): Während dieser Arbeitstagung ist wieder deutlich geworden, daß das Wissen um die Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung von Kooperationen zwischen Deutschland und den GUS-Staaten sehr lückenhaft ist. Die 11. Tagung des Arbeitskreises „West-Östlicher Fachaustausch” will daher aufzeigen, welche Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung für Kooperationen zwischen Deutschland und den osteuropäischen und zentralasiatischen Staaten zur Verfügung stehen. Die nächste Sitzung ist für den Herbst 2004 vorgesehen. Dr. Gabriele Kötschau, MdL |