Protokoll der 6. Arbeitstagung „West-Östlicher Fachaustausch”
am Freitag, dem 15. September 2000 in der Humboldt-Universität in Berlin

Nach der Vorstellungsrunde der Teilnehmerinnen und Teilnehmer führte der Vorsitzende des Russischlehrer-Verbandes, Dr. Hartmut Nickig, mit einem Kurzreferat in die Entwicklung der russischen Sprache an den deutschen Schulen ein. Er beklagte die negative Entwicklung der Schülerzahlen, wobei man außerdem noch in Betracht ziehen müsse, daß zunehmend Muttersprachler (Aussiedler) am Russisch-Unterricht teilnähmen (steigende Zahl der Muttersprachler, ca. 3. Mio. in Deutschland):
1992: 565.239 Schüler
1995: 231.722 Schüler
1998: 180.562 Schüler

Seit Mai 2000 gebe es ein Russischzertifikat. Russisch habe nach dem 2. Weltkrieg Einzug in den deutschen Fächerkanon gehalten und stehe heute an der 3. Stelle der Fremdsprachen, nach Englisch und Französisch. Dies sei unter den Bedingungen der Fächerkonkurrenzen positiv zu bewerten.

Guido Kemmerling, VLR, Auswärtiges Amt (601-9@auswaertiges-amt.de):
Von einer Milliarde DM, die für Kultur und Bildung ausgegeben werde, falle ein Drittel auf die Förderung der deutschen Sprache. Auch aus außenpolitischer Sicht müsse die deutsche Sprache gefördert werden. Nach englisch stehe deutsch an zweiter Stelle der Fremdsprachen in den GUS-Staaten, vor französisch.

Es gebe ein Lehrer-Entsendeprogramm, das Lehrkräfte an 140 Schwerpunkt-Schulen in den mittel- und osteuropäischen (MOE) sowie in den GUS-Staaten schicke. Dies sei jedoch mit sehr hohen Kosten verbunden.

Der DAAD konzentriere sich auf das Lektorenprogramm; etwa 130 von 500 dieser Lektoren arbeiteten in den MOE- und GUS-Staaten. Ein ehrenamtliches Engagement in diesem Bereich sei sehr willkommen.

Sigrid Savelsberg, Goethe-Institut, Referentin für Pädagogische Verbindungsarbeit; (savelsberg@goethe.de):
Es gebe 18 Mio. Deutsch-Lernende, davon zwei Drittel in Osteuropa und in Mittelasien. 1,3 Mio. lernten dies an den Hochschulen. So seien es zum Beispiel in Litauen 150.000.

Wichtig für Förderung und Verbreitung der deutschen Sprache seien vor allem die Multiplikatoren. So gebe es allein in Moskau 115 Fortbildungsveranstaltungen für Multiplikatoren.

Zunehmend gebe es Fern- und mediengestützten Deutsch-Unterricht.

Deutsch als erste Fremdsprache durchzusetzen, sei kaum zu erreichen. Fast überall sei Deutsch zweite Fremdsprache in den einzelnen Staaten.

In Moskau gebe es 1.600 Kursteilnehmer sowie 40.0000 Privatschüler, die die deutsche Sprache erlernten. Hier spiele die Vergabe von Prüfungslizenzen eine große Rolle. Immer wichtiger sei darüber hinaus, die deutsche Sprache mit einem konkreten Fachgebiet zu verbinden, wie Rechts- oder Wirtschaftswissenschaften.

Was den TestDaF und den TOEFL-Test angehe, so seien, wegen der Autonomie der Hochschulen, Sprachprüfungen immer schwierig.

Drei Prüfungen des Goethe-Instituts würden allgemein anerkannt:

  • das kleine und das große Sprachdiplom (hohes Niveau, inkl. Literaturprüfung)
  • die zentrale Oberstufenprüfung (ohne Literaturteil)
  • die Sprachprüfung an einer Universität in Deutschland (jede Universität biete einen eigenen Test an)
Daher sei der TestDaF nach der amerikanischen TOEFL-Test-Methode eingeführt worden.(www.testdaf.de)
Das bedeute im einzelnen:
  • ein differenziertes Verfahren, „ALTE“ (Association of Language Tests in Europe)
  • mehrfach Prüfungen im Jahr
  • Prüfung sei ohne die Belegung von Kursen möglich
  • nach Bestehen der Prüfungen Sicherheit der Zulassung zum Studium

Zur Zeit sei dieses Testverfahren in der Erprobung (über den DAAD), unter anderem bei der Fernuniversität Hagen, dem Goethe-Institut und dem Seminar für Sprachforschung in Bochum.

Dr. Konstantin Gabaschwili, Botschafter von Georgien:
Georgien habe ein siebensprachiges Schulsystem. Deutsch stehe bei den Fremdsprachen an erster Stelle in Georgien.

Der Botschafter hob hervor, daß deutsch als kulturelle Sprache sehr wichtig und das Geld für diese Art der Kulturarbeit gut angelegt sei: „Deutschland verliert das Geld, das es nicht investiert in die deutsche Sprache im Ausland!”

Er hob hervor, daß das Goethe-Institut in Georgien gut arbeite. Was den Sprachtest angehe, so sei dieser zwar gut. Er regte aber an, den Deutsch-Unterricht für Ausländer leichter zu gestalten.

Was den Studentenaustausch angehe, so müsse dieser verbessert werden. Es stehe zu wenig Geld für die Ausbildung in der deutschen Sprache zur Verfügung. Dies gelte auch und gerade für Sprachmultiplikatoren.

Maja Pandshikidse, Botschaftsrätin an der Botschaft von Georgien, ergänzte, in Deutschland werde die georgische Sprache an der Humboldt-Universität in Berlin und an der Universität in Jena gelehrt.

Dr. Peter Oberschelp, Kultusministerkonferenz (KMK); (p.oberschelp@kmk.org):
Der DaF (Deutsch als Fremdsprache), ersetze nicht die anderen Tests, sondern stehe daneben. Es gebe darüber hinaus eigene Prüfungen an Hochschulen (Beschluss der KMK, Schreiben vom 07.08.2000 – als Anlage beigefügt)

Ulrike Dolezal, Leiterin des Arbeitskreises Internationale Kooperation, Dienststelle Berlin, Bundesministerium für Bildung und Forschung, (BMBF), (ulrike.dolezal@bmbf.bund.de),
Die EU fördere nur die EU-Staaten (vor allem Minderheitensprachen). Finanzierung konkreter Projekte gebe es für alle Sprachen. Für Projekte ab Juli 2001 ende die Antragsfrist am 15.02.2001. Hinzu komme noch, daß Projekte stets mehr als ein Partnerland benötigten. Ferner verwies Frau Dolezal auf das Europäische Jahr der Sprachen 2001 (www.na-bebb.de/EJS).

Prof. Dr. Valerij Mokienko, Professor für Ukrainistik in Greifswald und Leiter des Slawischen Instituts (mokienko@mail.uni-greifswald.de):
Greifswald sei ein altes Zentrum für Slawistik. Nur in Greifswald gebe es Ukrainistik als Hauptfach, das vor allem im Zusammenhang mit anderen Fächern studiert würde. Insgesamt sei Greifswald eine von drei Universitäten in Deutschland, die Ukrainistik anböten. Es gebe derzeit 97 Studenten mit dem Hauptfach Ukrainistik, die darüber hinaus auch andere Fächer belegten.

Allen Studierenden würde ein längerer Studienaufenthalt an Partneruniversitäten in der Ukraine und in anderen slawischen Ländern angeboten.

Greifswald habe bereits sein 5. Jubiläum begangen, was das Ukrainikum angehe (siehe Anlage).
www.uni-greifswald.de/~slawist

Botschaftsrat Olexandr Novosyolov, Leiter der Konsularabteilung an der Botschaft der Ukraine (ukremb@t-online.de):

Die deutsche Sprache stehe in der Ukraine an zweiter Stelle der Fremdsprachen. Die Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut bezeichnete er als gut. Allerdings seien mehr Deutschlehrer in der Ukraine erforderlich.
Internet: www.botschaft-ukraine.de

Dr. Jürgen Thomas, Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV), Leiter der Osteuropaabteilung):
Die ZAV sei das „Auslandsarbeitsamt” der Bundesanstalt für Arbeit und nehme Vermittlungen von und nach Osteuropa vor. Er stellte in dem Zusammenhang die Broschüre „Arbeitsgenehmigung für neu einreisende ausländische Arbeitnehmer” der Bundesanstalt für Arbeit vor. Aktuelle Informationen sind im Internet zu erhalten unter: www.arbeitsamt.de

Sergej Malinovsky, 1. Botschaftssekretär an der Botschaft der Republik Belarus: Deutsch sei vor dem 2. Weltkrieg die verbreitetste Fremdsprache in Belarus gewesen, bis Anfang der 60er Jahre. Heute sehe die Reihenfolge der erlernten Fremdsprachen wie folgt aus:

  1. Englisch: 68 %
  2. Deutsch: 26 % (300.000 Schüler)
  3. Französisch: 8 %
  4. Spanisch: 1,5 %

An belarussischen Schulen unterrichteten 3.065 Lehrkräfte die deutsche Sprache. Es sei darüber hinaus an vielen Schulen möglich, deutsch als zweite Fremdsprache zu erlernen. Besonders hervorzuheben sei, daß 12 % der Schüler bereits ab der 1. Klasse deutsch lernten.

Die deutsche Sprache könne dadurch, daß Deutschland wichtigster westeuropäischer Partner für Belarus sei, durch die Erweiterung des Deutschstudiums in Belarus noch gestärkt werden.

Um zu gewährleisten, daß eine Sprache ohne Unterbrechung erlernt werden könne, gebe es ein Programm, das zum Ziel habe, die Schulen besser mit Lehrkräften zu versorgen. Das Bildungsministerium von Belarus und das Goethe-Institut bemühten sich um gute Lehrbücher der deutschen Sprache. Darüber hinaus gebe es einen Zyklus im belarussischen Fernsehen zum Erlernen der deutschen Sprache.

Die belarussischen Lehrkräfte erhielten kostenlose Materialien für den Unterricht vom Goethe-Institut. Es gebe nationale Olympiaden der deutschen Sprache (wie der russischen Sprache in Deutschland) und Sommerschulen.

Herr Malinovsky führte aus, Belarus hätte konkretes Interesse an der Weiterentwicklung der deutschen Sprache. Aus diesem Grunde seien sie in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut dabei, Lehrerfortbildungen als Veranstaltungen für Multiplikatoren umzusetzen.

Abschließend äußerte er die Bitte, deutsche Lehrer nach Belarus zu schicken, die die neueste Methodik im Unterricht verwendeten.

Mavlon Javburiev, III. Sekretär an der Botschaft der Republik Usbekistan (mavlon@freenet.de):
In Usbekistan nehme der Deutschunterricht zu. Wichtig seien insbesondere Computer. Lehrbücher und Literatur an den Schulen.

Es gebe fast jeden Monat einen Austausch einer Delegation im Rahmen des Abkommens zwischen Usbekistan und Deutschland, das im Jahr 1992 abgeschlossen wurde. Insbesondere verwies Herr Javburiev auf einen Vertrag mit dem Land Baden-Württemberg.
Internet: www.uzbekistan.de

Maja Atamuradowa, 1. Sekretärin an der Botschaft der Republik Turkmenistan:

Es gibt seit 1998 einen Kulturvertrag zwischen Turkmenistan und Deutschland.

In der Hauptstadt Aschgabad gebe es eine Schule, in der nur auf Deutsch unterrichtet werde.
Das Goethe-Institut arbeite in der Region von der Zentrale in Taschkent (Usbekistan) aus.

Tatjana Zhukova, Russisches Haus in Berlin:
Das Russische Haus sei die Vertretung des Russischen Zentrums für Wissenschaft und Kultur der Russischen Regierung und bestehe seit 1984.

Im Haus würden Kurse angeboten und Kontakte zu deutschen Schulen und Universitäten geknüpft.

Prof. Gerhard Giesemann, Verband der Hochschullehrer für Slawistik (VHS):
Prof. Giesemann stellte fest, daß das Latinum wieder verstärkt verlangt werde. Ersatzweise könne dies durch zwei Fremdsprachen kompensiert werden, um Sekundärliteratur lesen zu können. Dies sei ein nicht gelöstes Problem.

Das Latinum nachzumachen, sei vor allem für Ausländer sehr schwierig, es gebe über 50 % Abbrecher.

Was die Slawistik angehe, so gelte diese Wissenschaft als eine der weltweit wichtigsten. So brauche man zum Beispiel Slawisten, um etwa den Kosovo-Konflikt zu verstehen.

Prof. Giesemann stellte abschließend fest, daß die Verbindungen zwischen Deutschland und Russland immer sehr eng gewesen seien. Er bezeichnete es als unsere Aufgabe, diese Verbindungen aufrecht zu erhalten.

In der Diskussion wurde vor allem der Stellenwert der Sprachenausbildung diskutiert. Dr. Gudrun Kannenberg stellte fest, daß das Interesse an der deutschen Sprache größer sei als das Interesse an der Slawistik in Deutschland. Insgesamt müsse der Unterricht umgestellt werden, um den Absolventen konkrete Berufsperspektiven zu eröffnen. Es fehle die Verbindung zur Praxis.

Im einzelnen wurde festgestellt:

  1. Zum einen sei die Sprache stets ein „Mittel zum Zweck”. Das bedeutet, daß ein anderes, nicht linguistisches Fach die Berufsgrundlage bilden müsse und die Chancen durch das Erlernen zum Beispiel der russischen Sprache verbessert bzw. optimiert würden.
  2. Die Sprache sei aber auch eine Wissenschaft, die neben dem reinen „Instrument Sprache“ auch Geschichte, Kultur und Entwicklung der Sprache beinhalte und als reine Geisteswissenschaft einen eigenen Stellenwert besitze.

Dr. Wolfgang Levermann, Volkswagen-Stiftung (levermann@volkswagenstiftung.de):
Die Volkswagen-Stiftung verfolge den Zweck, Wirtschaft und Technik in Forschung und Lehre zu fördern; dies geschehe völlig unabhängig vom Volkswagenwerk.

Wichtig seien hierbei insbesondere die Sozial- und Geisteswissenschaften. Auch an das Ausland könnten finanzielle Mittel vergeben werden, wenn es Kooperationen mit deutschen wissenschaftlichen Einrichtungen gebe. Die Förderung der Kontakte deutscher wissenschaftlicher Institute mit ausländischen sei ein Förderschwerpunkt der Volkswagenstiftung.

Es gebe ein Förderprogramm der Volkswagen-Stiftung für Wissenschaft in Osteuropa (z. B. für neue Medien und Technologien). Darüber hinaus werde ein bilingualer Studiengang in Nowgorod gefördert, der 1991 eingerichtet worden sei.

Darüber hinaus gebe es zwei neue Förderangebote:

  1. Grundlagen und Voraussetzungen für ein erweitertes Europa
  2. Programm für die mittelasiatischen Staaten (NOS), vor allem für infrastrukturelle Verbesserungen)
Internet: www.volkswagenstiftung.de

Abschließend war vereinbart worden, die nächste Sitzung zum Thema „Wirtschaft“ durchzuführen, voraussichtlich am Freitag, dem 16.02.2001, 10.00 bis 16.00 Uhr in Berlin.

Zu dieser Sitzung sollen nicht nur Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaft, sondern auch der Geisteswissenschaften eingeladen werden. Der Schwerpunkt der nächsten Veranstaltung gilt der Frage, welche sprachlichen und fachlichen Voraussetzungen für die Einstellung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie für Kooperationen mit dem Ausland erwartet werden.