Protokoll der 7. Arbeitstagung „West-Östlicher Fachaustausch” am Freitag, dem 16. März 2001 in der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin

Nachdem in der 6. Arbeitstagung deutlich geworden war, dass eine Sprachausbildung allein heute kaum noch eine Garantie für eine dauerhafte Beschäftigung ist, stand im Mittelpunkt dieser Veranstaltung die Frage, welche fachlichen und sprachlichen Voraussetzungen heute gute Berufschancen eröffnen.

Dr. Christoph Bertram, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), begrüßte die Anwesenden und stellte die SWP und ihre Arbeit vor.
Internet-Adresse: www.swp-berlin.org

1. Dieter Klause, DIHT, diht@berlin.diht.de
Der DIHT beteiligt sich intensiv an der Umsetzung des Transformprogramm der Bundesregierung.
Herr Klause wies zu Beginn auf den Tag der Auslandsschulen hin.

Stichwortartig die wichtigsten Ausführungen von Herrn Klause:

  • Zusammenwachsen der Länder
  • Vordringen der Kommunikationswissenschaften
  • Internationalisierung der Märkte

Das führt zu folgenden Erfordernissen:

  • Praxiserfahrung so früh wie möglich sammeln, auch schon im Studium
  • Entwicklung von Teamfähigkeit junger Menschen
  • Belastbarkeit (Engagement über die Arbeitszeit hinaus, wenn es der Kunde wünscht!)
  • Erlernen von Fremdsprachen: die Wirtschaft gewöhnt sich daran, daß eine erste oder zweite Sprache selbstverständlich gesprochen wird. Aufmerksamkeit wird erst dann erregt, wenn eine dritte Sprache, möglichst eine exotische, hinzukommt
  • Spezialisierung: Ingenieure oder Kaufleute sind nur dann interessant für die Wirtschaft, wenn ein Zusatzwissen vorhanden ist, z. B. Ingenieurwissenschaften und Buchführung

2. Gerhard Müller, Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg,
Gerhard.Mueller4@arbeitsamt.de

Gerhard Müller wies in seinem Kurzvortrag auf folgende Punkte hin:

  • 1,8 Mrd DM würden jährlich für die Fortbildung ausgegeben
  • Bemühung um eine praxisnahe Ausbildung
  • Teamgeist werde zunehmend gefordert
  • Internationalität (inkl. Fremdsprachen), plus Kennen der kulturellen Situation des Landes, um auf die Wünsche der Kunden eingehen zu können

Ferner werde von Führungskräften erwartet:

  • Loyalität
  • Mobilität
  • Flexibilität
  • Zielorientierung der Arbeitnehmer

3. Peter Umber, Zentrale Arbeitsvermittlungsstelle (ZAV), Peter.Umber@arbeitsamt.de

Die ZAV führt Vermittlungen von Arbeitskräften von und nach Deutschland durch.

  • Die für viele berufliche Aufgaben geforderte Erfahrung sei nur im Ausland zu machen
  • Der Schwerpunkt der Arbeit der ZAV liege bei den Reformländern; im SGB (Sozialgesetzbuch) ist verankert, wer einreisen darf, um eine Arbeit aufzunehmen (Anwerbestop-Ausnahmeverordnung, Gastarbeitnehmerabkommen)
  • Es gebe Regelungen für Fortbildungspraktika (junge Leute mit Berufsausbildung, sei es eine schulische oder eine berufliche Ausbildung)
  • Studenten könnten in den Ferien bis zu drei Monaten erlaubnisfrei arbeiten; Kontingentierung: 10.000; das Kontingent werde gut ausgeschöpft
  • Zusätzlich gebe es die Möglichkeit von Fachpraktika (studiennah oder über die ZAV)
  • S
  • aisonarbeitnehmer (250.000 pro Jahr) seien vor allem im Gasstättengewerbe und in der Landwirtschaft tätig

Für IT-Fachkräfte gebe es inzwischen Sonderregelungen:

Zur Zeit sei ein Boom deutscher Unternehmer erkennbar, die Fachpraktika im IT-Bereich anbieten und gern Arbeitskräfte aus Osteuropa einladen, die spätere Ansprechpartner für sie sein könnten.

Die ZAV vermittelt auch in diese Länder; vor allem Fachleute, die den Transformationsprozess unterstützen können (integrierte Fachleute). Zuständig: BMZ (Bundesministerium für Zusammenarbeit). Die Umsetzung erfolge durch das Innenministerium in Zusammenarbeit mit der ZAV und der GTZ )Gesellschaft für technische Zusammenarbeit), vor allem im Wirtschafts- und Bankenbereich.

Für deutsche Studenten, die russisch sprechen, sei der Kooperationspartner der Föderale Migrationsdienst.

Die jeweiligen Merkblätter können bei der ZAV – Internationale Arbeitsvermittlung – angefordert werden: 53107 Bonn, Tel. 0228/713-1326, Fax: 0228/713-1166 oder e-mail: Bonn-ZAV.osteuropa@arbeitsamt.de

4. Dr. Sergej Nikitin, Handels- und Industriekammer der Russischen Föderation, ihk@russia.de

Dr. Nikitin wies auf eigene positive Erfahrungen mit Praktika in Deutschland hin. Er sprach dem DIHT seinen Dank aus für die Möglichkeit der Fortbildung junger Führungskräfte. Im einzelnen berichtete er von folgender Situation und konkreten Maßnamen:

  • Erfordernis der Umsetzung der Transformation
  • Schwierigkeit in der Gesetzgebung in Russland: stündlich gebe es Änderungen
  • Die Kammer habe inzwischen gute Strukturen aufgebaut
  • Es gebe eine gemeinsame Sprache über das Internet
  • Möglichkeit der Ausbildung osteuropäischer Beschäftigter bei den „Handwerkern im europäischen Haus”
  • Inzwischen gebe es über 1.000 Niederlassungen deutscher Unternehmen in Russland; sie brauchten und schulten Fachkräfte (Man brauche Fachleute aus beiden Ländern)
  • Die Mittelständler beginnen, neue Märkte zu erschließen
    - eine minimale Sicherheit gebe es für das Business; Hinweis auf das sehr hilfreiche Büro der Deutschen Wirtschaft in Moskau unter Leitung von Frau Dr. Andrea von Knoop
    - noch geringe Kaufkraft im Land
  • Sprachlich gehe es nicht nur um „normale Übersetzungen”, sondern um „kulturelles Dolmetschen” und „interkulturelle Kompetenzen”

Sein Mitarbeiter, Herr Evgeny Shulika, HIK@russia.de
- wies auf die Möglichkeit für Studenten aus Deutschland hin, ein Praktikum im Dachverband zu absolvieren

5. Prof. Dr. Ernst Apeltauer, Universität Flensburg, apeltaue@uni-flensburg.de

  • Angebot der interkulturellen Kommunikation an der Universität Flensburg, mit Auslandssemester (im 3. Semester); BA-Abschluss, nach dem 9. Semester Diplom, nach dem 10. Semester MA
  • 1997 erstmals mit EU-Mitteln aufgebaut

6. Prof. Dr. Alexander Trunk, Institut für osteuropäisches Recht an der CAU Kiel, office-eastlaw@law.uni-kiel.de

  • Zertifikate auf verschiedenen Feldern seien in Vorbereitung
  • Defizite liegen vor allem in der nicht immer reibungslosen regionalen Zusammenarbeit

7. Dr. Juri Silvestrow , Erster Botschaftssekretär, Presseattaché an der Botschaft der Ukraine ukremb@t-online.de

  • Gute Zusammenarbeit mit der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Konrad-Adenauer-Stiftung in der Ukraine, vor allem für Juristen und Politologen und im Bereich der Programme für Journalisten. Auch die Hanns-Seidel-Stiftung arbeite auf breiter Basis in der Ukraine
  • Die meisten ukrainischen Studenten sprechen englisch; deutsch werde vor allem im Goethe-Institut gelehrt, mit dem es eine gute Zusammenarbeit gebe
  • Im Frühjahr 2001 werde ein ein- bis dreimonatiges Praktikum angeboten für Journalisten über die deutsch-ukrainische Hochschulbörse
  • Herr Silvestrow bemängelte, dass es zwar viele ukrainische Studenten in Deutschland gebe, aber wenig deutsche Studenten in die Ukraine kämen
  • Die Studenten bekämen in der Ukraine eine gute fachliche Ausbildung, zusätzlich Erfahrungen im praktischen Bereich
  • Was die sprachliche Kompetenz angeht, so sei vor allem englisch gefordert

8. Attaché Gaya Mammedov, Botschaft der Aserbaidschanischen Republik 100526.1670@compuserve.com

Für Tätigkeit in der Wirtschaft sei in Aserbaidschan gefordert:

  • Sprachliche Voraussetzungen: englisch, französisch oder deutsch
  • Fachkunde im sachlichen Bereich
Die lateinische Schrift sei amtlich, jedoch werde kyrillisch in Veröffentlichungen benutzt; Amtssprache: aserbaidschanisch.

9. Murad Haschajev, Botschaft von Turkmenistan

  • Sprache: turkmenisch und türkisch seien verwandte Sprachen; lateinische Buchstaben würden benutzt; Amtssprache: turkmenisch.
  • Vor einigen Jahren habe es ein dreisprachiges Programm gegeben: turkmenisch, englisch, russisch
  • Wirtschaftszweige: vor allem Erdöl- und Gasförderung; Verarbeitung von Agrarprodukten
  • Hinweis auf eigene Mentalität und Kultur seines Volkes

10. Mavlon Javburiev, III. Sekretär Botschaft der Republik Usbekistan mavlon@freenet.de

Herr Javburiev wies auf den hohen Ausbildungsstand in seinem Land hin:

  • Es gebe 1600 Berufsschulen in Usbekistan
  • englisch und deutsch würden als Fremdsprachen gelehrt; in jedem Gebiet gebe es Deutsch-Unterricht
  • Das Goethe-Institut und die Humboldt-Stiftung seien in Usbekistan tätig
  • Ständige Weiterbildung der Mitarbeiter in Taschkent

11. Arsen Balayan, I. Sekretär, Botschaft der Republik Armenien

In Armenien gebe es zu viele Spezialisten und für diese zu wenig qualifizierte Arbeitsplätze.

Voraussetzungen für eine gute Beschäftigung in seinem Land:

  • Fremdsprachenkenntnisse
  • Computerkenntnisse
  • Auslandserfahrungen; Kenntnis von Sitten, Gebräuchen und Mentalität anderer Länder
  • In zu wenig Schulen werde deutsch gelernt (in Eriwan in zwei Schulen)
  • Der DAAD sei sehr aktiv; auch in der Vorbereitung von Fachleuten
  • An erster Stelle stehe das Fach; erwünscht sei, Fachmann auf einem Gebiet zu sein

Anregung in der Diskussion: Abschluss von Verträgen mit IT-Kräften (5.867 seien bereits abgeschlossen)

12. Dr. Steffen Mehlich, Alexander von Humboldt-Stiftung

Forschung und Förderung der Humboldt-Stiftung habe wenig Bezug zum Thema, doch zum Länderkreis der Fachtagung. Er wies auf Schwierigkeiten hin, Fachkräfte zu finden, vor allem im naturwissenschaftlichen Bereich.

Der Humboldt-Stiftung gehe es darum, Nachwuchswissenschaftler nach Deutschland einzuladen.

500 – 600 Forschungsstipendien würden pro Jahr vergeben (á 70.000,00 DM).

Abschließend wies er die Frage auf, wo in Deutschland international interessante Forschung betrieben werde.

13. Peter Umber, ZAV Peter.Umber@arbeitsamt.de

Erfordernis für Arbeitstätigkeit ausländischer Studenten in Deutschland:

  • Antrag anfordern; 2 Passbilder beifügen; Nachweis der deutschen Sprache erforderlich
  • Vermittlung erfolge durch die ZAV (18.000 Vermittlungen jährlich)
  • mindestens Hilfsarbeiterentgelt müsse gezahlt werden

Fortbildung:

  • höchstens 12 Monate
  • ZAV prüft Fortbildungs-Charakter
  • Vorlage eines Fortbildungsplanes, inkl. nachgewiesener Deutsch-Kenntnisse
  • Dauer: bei nachgewiesenen Voraussetzungen: 1 Monat

In der anschließenden Diskussion wurden folgende Fragen vertieft:

Frage nach der „Lingua Franca” (Verkehrssprache eines größeren mehrsprachigen Raumes):
Prof. Apeltauer: Medien und Internet spielten eine große Rolle bei der Frage nach der „Lingua Franca”. Trotz allem werde

  • englisch die Weltsprache Nummer 1 bleiben
  • deutsch wegen der wirtschaftlichen Bedeutung weiterhin eine Rolle spielen und sei vor allem im Kontext mit anderen Fremdsprachen wichtig

Einhellige Meinung: gute Sprachkenntnisse eröffneten schnell den Weg in die Wirtschaft.

Es entspann sich eine Kontroverse über den Stellenwert der alten Sprachen; latein und(alt-)griechisch wurde von einigen Teilnehmern als gute Grundlage für andere Sprachen und Wissenschaften gewertet; andere Teilnehmer hingegen wollten sie ersetzt wissen durch moderne Sprachen.

Stichworte, die in der „Wunschrunde” geäußert wurden:

  • Gute Kooperation zwischen allen Beteiligten und Betroffenen
  • Einhaltung des gesetzlichen Rahmens
  • Rechtzeitige Beantragung von Aus- und Fortbildungsmaßnahmen
  • Kollegialer Umgang miteinander
  • Weiterentwicklung der Nichtregierungsorganisationen (NGOs)
  • Ausweitung des Gastarbeitnehmerabkommens auch auf Belarus, die Ukraine und Moldawien
  • Ermöglichung einer Anschlussbeschäftigung ausländischer Fachkräfte nach einer Weiterbildung („Wir waren zur Weiterbildung, und anschließend müssen wir gleich nach Haus”...)
  • Erleichterung einer Anschlussausbildung in Deutschland nach dem Diplom im – russischen – Heimatland
  • Bitte, Deutschland möge nicht IT-Spezialisten nach Deutschland holen, sondern vielmehr Aufträge in die Partnerländer vergeben
  • Stärkere Förderung der Mehrsprachigkeit, z. B. durch Frühförderung und veränderte Lehrerausbildung
  • Ausbildung von „kulturellen Dolmetschern”
  • Mehr finanzielle Mittel für die deutsche Sprache und Kultur (im Ausland)
  • Erleichterung der Zusammenarbeit in formellen Fragen
  • Mehr Schüleraustausch praktizieren
  • Bessere Internet-Präsentation mit Links zu Job-Börsen
  • Zusammenarbeit im Bereich der Stadtentwicklung und der Stadterneuerungsprogramme
  • Förderung seltener Sprachen
  • Ausweitung des Netzes der Goethe-Institute

Thematische Anregungen für die nächsten Fachtagungen:

  1. Deutsche Außen- und Sicherheitspolitik zwischen den USA und Osteuropa
  2. Schwerpunktbehandlung einzelner Regionen (z. B. künftige Grenzländer zur EU; Baltische Staaten; Transkaukasus)
  3. Annäherung des Militärs

Dr. Gabriele Kötschau, MdL
stellvertretende Vorsitzende